Vorträge und Diskussionen

Der komplette Zeitplan ist hier

Donnerstag, 3. Oktober

Über Strafe, Gefängnis und die Zeit danach

Podiumsgespräch

Der Vortrag wird auf Deutsch und akustisch verstärkt sein. Flüsterübersetzungen für Englisch möglich.

Zum inhaltlichen Auftakt des Tattoo-Circus findet ein Podiumsgespräch statt mit fünf Menschen, die Erfahrungen im Strafvollzug gemacht haben und bereit sind diese Erfahrungen und ihre Gedanken mit uns teilen. Was macht Gefängnis mit den Menschen? Wie schlägt sich diese Form der Bestrafung auf Linke nieder? Wie kann ich mich eigentlich auf das weggesperrt sein vorbereiten und was ist mit der Zeit danach? Wie kann gelebte Solidarität über Gefängnismauern hinweg aussehen und was braucht es dafür?

Die Podiumsveranstaltung wird unterstützt durch die Rosa Luxemburg Stiftung.

Freitag, 4. Oktober

Zwischen Resilienz und Abgrund

Input & Gespräch mit Thomas Meyer Falk

Der Vortrag wird auf Deutsch und akustisch verstärkt sein. Flüsterübersetzungen für Englisch möglich.

Gefängnisse sind zerstörerische Räume. Neben physiologischen Bedürfnisse, wie Durst und Hunger, gibt es spezifisch existenzielle Bedürfnisse: Bezogenheit, Transzendierung, Verwurzeltsein, Identitätserleben, Rahmen der Orientierung, Wirkmächtigkeit.
Diese existenziellen Bedürfnisse werden in Gefängnissen nicht nur nicht erfüllt, sondern systematisch unterlaufen. Der Abgrund ist oftmals nur einen kleinen Schritt entfernt, der Boden beginnt zu schwanken, im nächsten Moment droht der Sturz in die Tiefe.
Wie kann es möglicherweise dennoch gelingen, Haft, egal ob wenige Stunden in Polizeigewahrsam, einige Monate in Untersuchungshaft oder Jahre in der Strafhaft, seelisch zu überleben? Was können wir selbst aktiv tun, um solche schwierigen Lebensumstände besser zu überstehen? Was können wir tun, um Menschen die von Haft bedroht sind oder dort schon einsitzen, entsprechend zu unterstützen?
Darüber wird Thomas, der im August vergangenen Jahres nach rund 27 Jahren in Haft entlassen wurde, versuchen mit uns gemeinsam ins Gespräch zu kommen. Nach einem Input von ihm, soll zusammen diskutiert, mögliche Erfahrungen geteilt und Ideen entwickelt werden, wie ein Überleben aussehen kann.

Samstag, 5. Oktober

Big Dreams – Brian Keller, die rassistischen schweizer Medien und Justitzvollzug und der kreative Kampf dagegen

Der Vortrag wird auf Deutsch und akustisch verstärkt sein. Flüsterübersetzungen für Englisch möglich.

Das Projekt Big Dreams erzählt vom erfolgreichen Kampf gegen die Menschenrechts-verletzenden Haftbedingungen von Brian Keller in der Schweiz durch kreative Interventionen in öffentlichen Räumen, sozialen Plattformen, Theatern und in den Medien. Seit 2013 wurde Brian medial unter dem Psyeudonym “Carlos” kommerziell und politisch ausgeschlachtet mit der rassistischen Geschichte eines aggressiven Schwarzen Insassen.
🌐https://www.bigdreams.ch/

„Knastkritik“ – eine Einführung

Vortrag

Der Vortrag wird auf Deutsch und akustisch verstärkt sein. Flüsterübersetzungen für Englisch möglich.

Statistisch können Gefängnisse ihren angedachten Zweck der „Resozialisierung“ nicht erfüllen. Wo Gefängnisse eigentlich herkommen und warum unsere Gesellschaft immer noch an ihnen festhält, soll in diesem Vortrag beschrieben werden.

Restorative Justice: etwas besseres als einfach nur »Gerechtigkeit«?

Vortrag und Diskussion von und mit Rehzi Malzahn

Der Vortrag wird auf Deutsch und akustisch verstärkt sein. Flüsterübersetzungen für Englisch möglich.

Restorative Justice“ – ein Begriff, der nur schwer ins Deutsche übersetzbar ist – bezeichnet eine Praxis des Umgangs mit schmerzhaftem Geschehenen, darunter Unrecht und strafbaren Handlungen, der an die Stelle des Strafens Wiedergutmachung und Dialog setzt. Der entstandene Konflikt wird den Menschen als ihr Eigentum zurückgegeben (Nils Christie), seine Lösung kann von ihnen selbst bestimmt und gemeinsam, autonom erarbeitet werden.

Wichtige Eckpunkte der RJ sind der gleichberechtigte Dialogprozess zwischen allen Konfliktbeteiligten, die Übernahme von Verantwortung für die Handlungen der Vergangenheit und für den Prozess der Konfliktklärung, das gegenseitige Zuhören und Verstehen, die Wiedergutmachung (oder eine Annäherung daran) sowie die Wahrung der Autonomie und der Respekt vor der Integrität aller. Es scheint für viele vielleicht zunächst unvorstellbar, dass sich Geschädigte, Beschuldigte und weitere Betroffene an einen Tisch setzen, um über zum Teil äußerst schmerzhaftes Geschehenes zu sprechen und dann eine gemeinsame Lösung auszuhandeln. Es ist aber, wenn es gelingt, ein für alle ermächtigender und heilsamer Prozess.

In dieser Veranstaltung werde ich versuchen, so gut es mir möglich ist, die verschiedenen Aspekte und Methoden der Restorative Justice zu erklären, Fragen zu beantworten und Zweifel ernst zu nehmen. Insgesamt hoffe ich, Menschen Lust darauf machen zu können, ihre Angst vor dem Austragen – auch schmerzhafter – Konflikte abzulegen, in wirklichen Kontakt miteinander zu treten und Vorstellungen von Schuld und Strafe als Teilaspekte einer herrschaftsförmigen Gesellschaft zu überwinden. Vorkenntnisse sind nicht nötig.

🗣️ Rehzi Malzahn, Jahrgang 1979, wohnt in Köln und Südfrankreich. Sie ist ausgebildete Mediatorin mit Zusatzqualifikation für den Täter-Opfer-Ausgleich. Seit nunmehr über 10 Jahren beschäftigt sie sich mit dem Thema Konflikte und ihre Lösung, seit 2003 engagiert sie sich immer wieder gegen die karzerale Gesellschaft. Beim Schmetterling Verlag sind zwei Bücher von ihr zum Thema erschienen: »Strafe und Gefängnis. Theorie, Kritik, Alternativen.« (2018) und «Restorative Justice. Eine radikale Vision.« (2021) Sie arbeitet seit 2014 als freie Autorin, Übersetzerin und Konfliktbegleiterin/Mediatorin.
🌐 rehzimalzahn.net